Was ist eigentlich die “Stütze” beim Singen?

Die „Stütze“ oder „Atemstütze“ – das ist ein Begriff der immer wieder in Verbindung mit Gesang und Gesangstechnik genannt wird. Viele Gesangslehrer bestehen auf die perfekte Stütze und fordern sie von ihren Schülern ein – andere Gesangsschulen verbannen den Begriff aus ihrem Unterrichts-Wortschatz! Ist die „Stütze“ also notwendig fürs Singen oder muss sie ignoriert werden? Fakt ist, dass die meisten Sängerinnen und Sänger diesen Begriff zumindest schon mal gehört haben, viele aber gar nicht wissen, was er eigentlich bedeutet – und zwar in der Praxis beim Singen. Das wollen wir hier ändern! Und dann seht ihr auch, dass wir alle beim Singen das Prinzip „Stütze“ brauchen und auch alle Gesangslehrer beim Unterricht darauf achten – egal wie sie es nennen oder ob sie den Begriff „Stütze“ gar verboten haben.

Die Stütze kontrolliert die Luft, die wir zum Singen brauchen

Die grobe Erklärung gleich vorweg: bei der Stütze handelt es sich um den Regulationsvorgang der Atmung, d.h. die Kontrolle über die Luft, die zum Singen verwendet wird und von der Lunge in den Kehlkopf geschickt wird. (Details dazu weiter unten).

Seit dem späten 19. Jahrhundert ist dafür der italienische Begriff „appoggio“ gebräuchlich, der mit „Stütze“ eigentlich etwas ungünstig übersetzt wurde. Im Englischen wird dafür „support“ – also Unterstützung – verwendet. Das trifft es wesentlich besser, da die Stütze oder Atemstütze kein fixer Zustand ist, sondern in seiner Form flexibel sein muss – was zum Verständnis des Begriffs „Unterstützung“ besser passt. Hier die Erläuterung dazu:

Das Zwerchfell (gelb) ist ein großer Muskel, der quer im Oberkörper liegt und die Lunge von den Eingeweiden trennt. Es ist wesentlich bei der Atmung beteiligt und steuert die Luftmenge, die nach oben zum Kehlkopf geschickt wird.

Damit wir beim Singen einen Ton produzieren können, muss von der Lunge Luft an die Stimmlippen im Kehlkopf geschickt werden. Das geschieht durch das Zwerchfell, einem großen Muskel, der quer im Körper liegt und die Lunge von den Eingeweiden trennt. Die geschlossenen Stimmlippen werden durch die Luft in Schwingung versetzt = ein Ton entsteht. Damit die Stimmlippen zu schwingen beginnen können und nicht einfach geschlossen bleiben, ist aber ein bestimmter Luftdruck notwendig. Dieser Luftdruck unterhalb der Stimmlippen wird subglottischer Druck genannt. Der subglottische Druck (Luftdruck unterhalb der Stimmlippen, wird durchs Zwerchfell erzeugt, das die Luft aus der Lunge nach oben Richtung Kehlkopf drückt) ist entscheidend für die Lautstärke des produzierten Tones, hat aber auch Einfluss auf die Frequenz, also die Tonhöhe. Für eine gesunde und ökonomische Tongebung muss der Sänger trainieren bzw. beherrschen, immer nur den Druck zu erzeugen, der gerade minimal notwendig ist, damit der gewünschte Ton in der gewünschten Lautstärke erzeugt werden kann. Ein zu hoher Druck kann akute und/oder chronische Stimmschäden verursachen. Dieses Steuern und in jedem Moment richtige Bereitstellen der Atemluft ist mit „Stütze“ oder „Atemstütze“ gemeint. Da das aber ein sich ständig ändernder Prozess ist, wird hier deutlich, warum das Wort „Stütze“ oft irreführend ist – weil es einen statischen Zustand, ein immer gleichbleibendes Verhalten des Sängers vermuten lässt. Doch genau das Gegenteil ist der Fall:

Einmal zu viel – einmal zu wenig – für eine gesunde und ausdauernde Gesangsstimme muss die Luftzufuhr ständig angepasst werden!

Kurz nach dem Einatmen steht in der Regel zu viel Luft zur Verfügung – der Luftdruck an den Stimmlippen ist dann zu hoch. Der Sänger muss darauf achten, nicht zu viel Luft in den Kehlkopf zu schicken – vielleicht hast du in diesem Zusammenhang schon den Begriff „Einatmungstendenz“ gehört: damit soll erreicht werden, die Luft zurückzuhalten, also den Druck nach oben zum Kehlkopf zu reduzieren.
Im Verlauf des Singens (= Ausatmens) verändert sich mit der noch in der Lunge vorhandenen Luftmenge auch der Luftdruck (er nimmt ab). Um den subglottischen Druck an den Stimmlippen also aufrecht und ideal zu halten, muss der Sänger bzw. seine Atmung und sein Körper ständig aktiv sein. Es ist also ein sich ständig ändernder Prozess, immer genau die richtige Luftmenge „nach oben“ zu schicken.

 

Literatur: Lexikon der Gesangsstimme, hrsg. von Ann-Christine Mecke / Martin Pfleiderer / Bernhard Richter / Thomas Seedorf, Laaber-Verlag 2016

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